Unsere grüne Wiese oder Baggerführer Willibald?

Brechtener Niederung Landschaft
Brechtener Niederung Landschaft

Lebhafte Diskussion zu den Plänen für ein Gewerbegebiet in der Brechtener Niederung

10.5.24 – Bis auf den letzten Platz gefüllt war am 6. Mai die Brechtener St. Antonius Kirche, so dass viele Besucher in das Gemeindezentrum ausweichen mussten. Die Pläne der Dortmunder Stadtverwaltung, in der Brechtener Niederung ein 82 ha großes Gewerbe- und Industriegebiet zu planen, sorgten bei vielen Bewohnerinnen und Bewohnern für helle Aufregung.

Zunächst stellte Oberbürgermeister Thomas Westphal zusammen mit der Abteilungsleiterin Birgit Niedergethmann vom Planungsamt und der Chefin der Wirtschaftsförderung Heike Marzen die Pläne der Stadt vor ( Link zur Vorlage ). Tenor: Pro Jahr sieht die Wirtschaftsförderung einen Flächenbedarf von ca. 12-13 ha für Gewerbebetriebe. Das muss langfristig geplant werden, so dass es noch etwa 8-10 Jahre dauern dürfte, bis die Bagger in der Niederung anrollen. Es soll auf jeden Fall ein grünes Gewerbegebiet unter Berücksichtigung neuester Anforderungen entstehen. Für ein Wachstum an Wirtschaftskraft und Arbeitsplätzen seien permanent neue Flächen erforderlich.

In der anschließenden Podiumsdiskussion flogen die Argumente hin und her, ein Konsens war auch nicht zu erwarten. Für das Klimabündnis nahm Hartmut Koch, Mitglied des Klimabeirats an der Diskussion teil. Er stellt die Methodik zur Ermittlung des zusätzlichen Flächenbedarfs von 12 ha grundsätzlich in Frage und möchte, dass die Ergebnisse der Wirtschaftsflächenkonferenz 2023 wirklich ernst genommen werden. Dort wurde festgestellt, dass es keine größeren Flächen mehr in Dortmund gibt, die konfliktfrei bereitgestellt werden können. Er fordert einen Strategiewechsel in der Wirtschaftsförderung. Das Nachverdichten bestehender Gewerbeflächen, das Bauen in die Höhe, die Nutzung leerstehender Hallen und der Tausch von Flächen ist zukünftig nötig, um neue Betriebe anzusiedeln und Betriebserweiterungen zu ermöglichen. „Neue Arbeitsplätze entstehen meist in kleineren Betrieben, die gar nicht so viel Platz brauchen. Viel wichtiger sind ÖPNV-Anbindung und Innovationen bei der Bereitstellung bezahlbarer erneuerbarer Energien.“, so Koch.

Ralf Heimrath, Sprecher der BI „Brechten natürlich“ machte darauf aufmerksam, dass es seit den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts immer wieder Versuche gab, Gewerbe und Industrie in der Brechtener Niederung anzusiedeln. Er betonte den Wert der Niederung als Kultur- und Landschaftsraum mit vielen Hecken und Baumreihen, zahlreichen Tümpeln und vernetzten Biotopen. „Dieser Verlust an 100 % Natur ist auch nicht mit einem grünen Gewerbegebiet gutzumachen.“ Thorsten Westermann, ortsansässiger Landwirt, machte darauf aufmerksam, dass wertvolle Ackerflächen mit mehreren 1000 Jahren alten Parabraunerden unwiederbringlich verloren gehen.

Der Oberbürgermeister hatte es in der Diskussion ziemlich schwer. Er möchte die Interessen aller Beteiligten abwägen. Die Ratsentscheidung wird wohl verschoben werden, ein Unterbezirksparteitag der SPD soll noch eine Position zur Brechtener Niederung finden. Allerdings wurde das Thema beim letzten Parteitag von der Tagesordnung genommen. Thomas Westphal glaubt aber, „dass es keine neuen Arbeitsplätze ohne neue Flächen geben wird.“

Am Ende des Abends überreichte die Bürgerinitiative eine Petition, die von 8325 Bürgerinnen und Bürgern unterzeichnet wurde (bei einer Einwohnerschaft von ca. 9000 in Brechten). Als Geschenk erhielt OB Westphal unter anderem das Kinderbuch „Unsere grüne Wiese“, das er seinen zukünftigen Enkeln vorlesen soll. Er gab zu, dass er in seiner Kindergartenzeit lieber mit dem „Baggerführer Willibald“ zu tun hatte.

Geplante Gewerbegebiete

Energie AG zu Besuch bei den Dortmunder Gasrusswerken

Mitglieder der Energie AG konnten am 12.04.2024 die Deutschen Gasrußwerke (DGW) besichtigen. Dr. Kasprowski, der Leiter Umwelt, Sicherheit und Gesundheit informierte uns fachkundig über die Prozesse zur Rußherstellung, zu den Klimaschutzzielen des Unternehmens und zur Rolle der DGW in der Dortmunder Fernwärmeversorgung.

Zwei Verfahren zur Herstellung von Ruß sind im Einsatz. Das Gas Black-Verfahren liefert Ruß z.B. für Farben und Toner. Dafür wird Wasserstoff als Trägergas benötigt, der aus Erdgas mittels Dampfreformierung gewonnen wird. Hierbei wird Erdgas mit Wasserdampf zu Wasserstoff und Kohlendioxid umgesetzt. Zukünftig soll die Dampfreformierung durch eine Wasserelektrolyse ersetzt werden. Hierfür plant die DEW21 den Bau eines 20 MW Elektrolyseurs in direkter Nachbarschaft am Hafen. Er soll ca. 2.000 Tonnen grünen Wasserstoff pro Jahr erzeugen und den CO2-Ausstoß für die Wasserstofferzeugung auf Null senken.

Als zweites Verfahren zur Rußherstellung betreiben die DGW das sog. „Furnace Black“ Verfahren, mit dem hauptsächlich Ruß für die Reifenproduktion hergestellt wird. Ausgangsstoff hierfür sind hier sog. „Rußöle“, das sind organische Kohlenwasserstoffe, die ein hohes Kohlenstoff- zu Wasserstoff Verhältnis aufweisen.

Aus beiden Herstellungsprozessen wird Wärme ausgekoppelt, die zur Stromproduktion genutzt wird. Überschüssige Abwärme wird in das Fernwärmenetz der DEW21 eingespeist. Strom- und Wärmeproduktion sind flexibel steuerbar, so dass im Sommer mehr Strom und im Winter mehr Wärme für das Fernwärmenetz ausgekoppelt werden können.

Naturgemäß nahm das Thema Dekarbonisierung einen Großteil der Diskussion ein, zumal die DGW mit einem CO2-Ausstoß von ca. 280.000 Tonnen pro Jahr der größte CO2-Emittent in Dortmund ist. DGW orientiert sich an den Klimazielen der EU (Klimaneutralität bis 2050) und selbst dann sind die Vorhaben sehr ambitioniert. Ohne Abscheidung des bei der Produktion entstehenden CO2 sind die eigenen Klimaziele nach eigener Einschätzung nicht erreichbar.

Im Anschluss an die Theorie gab es noch eine Werksführung mit Besichtigung der Leitwarte, in der mehrere hunderttausend Messwerte (Temperaturen, Drücke, Durchflüsse, etc.) zusammenlaufen. Weiter ging es vorbei an den Rußöl-Vorratstanks, den Abfüllanlagen zu den Fernwärmeübergabe­stationen. Zum Schluss konnten wir noch einen Blick auf die Gasruß-Produktion werfen, die im Kern noch genau so betrieben wird, wie bei Inbetriebnahme im Jahr 1936.

Nochmals herzlichen Dank an Dr. Kasprowski und den beteiligten Mitarbeitern der DGW für die interessanten Einblicke und viel Erfolg bei den Bemühungen zur Senkung des CO2-Ausstoßes.

Gruppenfoto Energie AG vor den Gasrusswerken (c) HGSchwinn

Achtung Kostenfalle: Wasserstoff nicht verheizen, Herr Westphal!

Das Klimabündnis Dortmund, Greenpeace Dortmund und Parents for Future Dortmund warnen in einem offenen Brief an den Dortmunder Oberbürgermeister davor, in der nun anstehenden kommunalen Wärmeplanung auf die Scheinlösung Wasserstoff zu setzen.

Der offene Brief wendet sich an alle Bürgermeister:innen Deutschlands, wurde vom Umweltinstitut München initiiert und bundesweit von mehr als 200 zivilgesellschaftlichen Gruppen unterzeichnet.

Brechtener Niederung soll für Wirtschaftsflächen geopfert werden: Drei Konferenzen und nichts dazugelernt?

Drei Konferenzen hat die Wirtschaftsförderung der Stadt Dortmund nun durchgeführt, um die befürchteten Engpässe bei der Flächenentwicklung zu diskutieren. Mit einer hochrangigen Besetzung aus Verwaltung, Wirtschaft, Handwerk, Politik, Umwelt- und Klimaschutz wurde beraten, wie die Ansiedlung neuer Betriebe in Dortmund auch in Zukunft gelingen kann. Dabei wurden drei potenzielle Flächen diskutiert, die eine allenfalls mäßige Wertung in einem von der Stadt beauftragten Gutachten bekommen haben.

Hartmut Koch, Vertreter des Klimabündnis im Klimabeirat:

„Der Klimabeirat brachte es mit seiner Empfehlung auf den Punkt: „Keine Ausweisung von neuen, großflächigen Wirtschaftsflächen für eine angebotsorientierte Ansiedlungspolitik“1).

Dann zieht die Wirtschaftsförderung ein Gebiet aus dem Hut, dass nur eine miserable Wertung im Gutachten bekommt und nahezu sämtlichen Beschlüssen des Rates zur Landschaftsplanung, zum Klimaschutz, zum Stadtklima und zur Inanspruchnahme von Freiflächen diametral entgegensteht.

Damit wird nicht nur das Vertrauen von Klima- und Umweltverbänden in einen echten Dialog zerstört, sondern auch dokumentiert, dass die Wirtschaftsförderung immer noch mit Rezepten von vorgestern arbeitet und gar nicht daran denkt, sich zeitgemäß neu zu orientieren. Wir finden das nur noch peinlich.

Die Richtung muss eine andere sein: Sicherung bestehender Gewerbeflächen für neue Betriebe, kleinteiliges Flächenmanagement, Innenraumverdichtung, Nutzungsstapelung, Urbane Produktion und Smart Factory sowie interkommunale Zusammenarbeit sind hier die neuen alternativen Konzepte.“

1) Quelle: Gremieninformationssystem, DS 32084-23

Pläne für die Brechtener Niederung (Quelle: Stadt Dortmund)

Was können und sollten wir beachten, wenn wir als Engagierte mit anderen über den Klimaschutz kommunizieren?

Psychologisch begründete Kommunikation für Engagierte – ein Impuls der Verhaltenstherapeutin Dipl.-Psych. Bettina Bicknese

Haben Sie jemals das Gefühl gehabt, dass Ihre Freiheit oder Ihre Auswahlmöglichkeiten eingeschränkt werden? Dieses Gefühl, bekannt als Reaktanz, ist ein weit verbreitetes psychologisches Phänomen, das uns oft dazu antreibt, uns gegen wahrgenommene Einschränkungen zu wehren und unsere Autonomie wiederherzustellen.

Reaktanz kann oft als Hindernis auftreten, insbesondere in Bereichen wie Verhaltensänderung und Überzeugungsarbeit. Aber es ist auch ein kraftvoller Hinweis auf unsere Unabhängigkeit und unsere Fähigkeit, eigene Entscheidungen zu treffen und unseren eigenen Weg zu gehen.

Hier nun das pdf von Psychologin Bettina Bicknese von den Psychologists for Future vom Klimadialog am 9.3. in der Pauluskirche. Es zeigt, wie wir unser Verständnis der Reaktanz nutzen können, um effektiver zu kommunizieren, zu überzeugen und Veränderungen herbeizuführen. Dies ist nicht nur, aber gerade für die Engagierten wichtig zu wissen, die sich im Diskurs über den Klimaschutz und andere wichtige Themen mit unterschiedlichen Menschen befinden.